richblog 0006: Good Vibrations

2011-01-14


Tach zusammen.

It ain‘t worth a thing, if it ain‘t got that swing, wusste schon Duke Ellington.

Heute sind wir noch ein bisschen schlauer, zumindest ein paar Wissenschaftler sind es: Die Welt bestehe mitnichten aus Materie, sondern – eben – aus Schwingungen, besagen neueste Erkenntnisse aus der Dingensforschung. Was unsereins am ehesten mit dem Begriff verbindet, sind akustische Schwingungen: Klang. Etwas setzt etwas in Bewegung, die Bewegung erfolgt in Wellen, Höhe und Länge der Wellen bestimmen eine Frequenz, und einen bestimmten, eher kleinen Bereich dieser Frequenzen können unsere Hörorgane erfassen: Töne. Klang. Musik.

Musik im weitesten Sinne.

Diese Form der Schwingung hat Wirkung. Ein schreiender Säugling wird normalerweise selbst die müdeste Mutter aus dem tiefsten Tiefschlaf wecken und dazu bewegen, sich um ihn zu kümmern. Katzen, die hungrig sind, ahmen mit ihrem „Ich-hab-Hunger“-Gemaunze nicht umsonst das Quengeln eines Säuglings nach – der Sound erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie von ihrer Dosenöffnerin recht schnell gefüttert werden, drastisch. Der Presslufthammer vor Ihrer Haustür wird, spätestens auf Dauer, Ihre natürliche Hemmschwelle gegen Aggression spürbar senken. Eine laut mit Da simmer dabei beschallte Kneipe macht mehr Umsatz als die gemütliche Weetschaff op d‘r Eck ohne musikalische Dröhnung.

Kinder, die mit Musik aufwachsen (am besten bereits im Muttterleib), wachsen friedfertiger heran und scheinen eine größere Auffassungsgabe und mehr soziale Kompetenz zu haben als ihre musiklosen Altersgenossen. Mit geeigneter Musik beschallte Kühe geben mehr Milch, Pflanzen, die Musik von Johann Sebastian Bach hören dürfen, gedeihen besser. Mäuse, die im Experiment klassischer Musik ausgesetzt waren, legten ein signifikant friedlicheres Verhalten an den Tag als ihre Kollegen im Heavy Metal-Raum.

Interessiert wäre ich persönlich noch an dem Ergebnis, was aus den Mäusen wird, die in einem Raum mit Privatradio-Beschallung leben. Können Mäuse Selbstmord begehen?


Gestern Nacht, so gegen halb eins, war ein anonymer Golf-Fahrer gezwungen, an der Fahrbahnverengung unserer Dorfstraße anderthalb Minuten unter unserem Schlafzimmerfenster stehen zu bleiben, um einem Lkw die Vorfahrt zu gewähren. Die Teetasse auf meinem Nachttisch tanzte mit schätzungsweise 186 beats per minute scheppernd auf ihrer Warmhalteplatte herum, und die Scheiben des Fensters klirrten dumpf – der Fahrer (ich nehme mal stark an, dass es sich hier um einen jungen Mann handelte) hatte ganz offenkundig seine Karre in eine rollende Disko verwandelt. Noch während ich überlegte, wie es wohl in der Schleuder klingen mag und was diese Dampfhammer-Bassdrum in Hirn und Fahrverhalten eines Fahrers anrichten könnte, wuchs in mir das fast unbezwingliche Bedürfnis, meine Lektüre beiseite zu legen (einen der Krimis von Jo Nesbø, die ich an dieser Stelle übrigens wärmstens empfehlen kann) das Schlafzimmerfenster zu öffnen und herauszufinden, was ein aus drei Metern Höhe geworfener 31-Zoll-Röhrenfernseher Baujahr ’93 auf dem Dach eines ’09er Golfs bewirkt. Wahlweise bedauerte ich mal wieder, nicht in einem der amerikanischen Staaten zu leben, in denen in jedem Haushalt eine Schrotflinte neben der Tür steht.

Dann war der Lkw durch, und die Disko rollte weiter. Ich konnte ihr Wummern noch cirka drei Minuten lang hören und spüren.

Der Wunsch, mich doch irgendwann mal zu bewaffnen, blieb etwas länger.

Nesbø gelang es nach einer Weile mich, abzulenken und zu beruhigen.

Nachdem ich mich müde gelesen und das Licht ausgemacht hatte, ging mir noch kurz der Gedanke durch den Kopf, was es wohl für die Geschicke unseres Landes und der Welt besagen mag, dass unser Verteidigungsminister AC/DC-Fan ist.

Zum Frühstück fütterte ich eine Wiedergabeliste mit Baden Powell und Pat Metheny.


Einen interessanten, ausführlichen Artikel des Journalisten Roland Rottenfußer zu diesem Thema findet Ihr hier.


Apropos Pat Metheny: Sollte das wunderbare Portrait des unvergleichlichen Jazzbassisten Charlie Haden, das vor ein paar Tagen auf 3sat lief, irgendwann (hoffentlich) wiederholt werden: Angucken!


’ne schöne Jrooß - Rich