Aber das ist ja leider etwas, das einem klar sein und womit man sich abfinden muss: Die Chance ist groß, dass man einen Hund, den man sich anschafft, überleben wird.
Und dass das Leben trotzdem weitergeht.
2020
In wehmütiger Erinnerung – zehn Jahre alt wurde unser Lucky, dann mussten wir uns im Juli 2018 von ihm verabschieden; so schmerzunempfindlich, wie er war, hatte der tapfere Kerl sich offenbar Wochen und Monate lang mit nichts anmerken lassen, dass sich in seiner Milz ein beschissener Tumor breitmachte – bis es zu spät war, irgendetwas dagegen zu tun.
Wir vermissen ihn immer noch, jeden verdammten Tag.
(Wird – vermutlich – fortgesetzt …)
Also versucht man, ganz nach dem Mephisto-Prinzip, das Gute im Schlechten zu sehen: Man kann wieder ausgehen (ja, wohin denn – in irgendwelche Nichtraucherkneipen etwa?!?), reisen (Quatsch!), zumindest Freunde besuchen; das war die letzten Jahre mit dem Rowdy ja gar nicht mehr möglich gewesen, schon gar nicht stressfrei. (Nicht dass Ihr nun meint, wir hätten halt unseren Hund besser erziehen sollen – zum Rowdy wurde der sanfteste Hund von allen, nachdem ihm ein aggressiverer Artgenosse ein Stück aus dem Nacken gebissen hatte. Trauma.)
Das tun wir auch, gelegentlich (also Freunde besuchen, nicht in Nacken beißen), ansonsten zeigt es sich derzeit, dass wir offenbar über bisher ungekannte seherische Fähigkeiten verfügen: Als im Frühjahr ein anderer Rowdy über die Welt herfällt – Covid 19 heißt er wohl – und der große Lockdown beginnt, ändert sich für uns kaum etwas: Wir leben ja nun schon seit Jahren quasi in (selbstgewählter) Quarantäne. Und ob wir nun mit oder ohne Maske einmal die Woche einkaufen fahren, ist uns völlig wurscht. Etwas anderes als Home Office kennen wir auch schon lange nicht mehr, und dass dabei mal mehr, mal weniger Einkommen heraus- bzw. hereinkommt, sind wir auch gewohnt – ist es jetzt halt mal ’ne Weile wieder etwas weniger. Für die Miete unserer Bruchbude, für Essen und Tabak reicht es (na ja, meistens), und ein paar Flaschen Bier für unseren gemütlichen Freitagabend sind auch noch drin (sogar erst recht jetzt, wo kein Besuch mehr kommt ;-) ).
Was andererseits natürlich auch schade ist, und besonders bedauerlich ist: dass man die Enkel nur noch per Skype aufwachsen sieht. Aber zumindest sind alle noch gesund.
Der Opa fürchtet nur, dass auch das mit dem Skypen nicht mehr so lange klappen wird – er braucht schon wieder eine stärkere Brille, und seit ein paar Jahren schon liegt ihm der Ohrenarzt mit dem Vorschlag, sich mit einem Hörgerät anzufreunden, in den halb tauben Ohren.
Tja, wie heißt es so schön: Alt werden is' nix für Weicheier.
"Ja, Mensch – halb taub …! Wie schafft der Mann es denn, immer noch so tolle Musik zu produzieren?"
Na ja – wir ha'm's halt drauf, Beethoven und ich.
Und noch ein paar andere …
Veteranentreffen anlässlich einer Geburtstagsfeier, JAN 2018
(v.l.: Dennis Kleimann, Jürgen Zeltinger und eh …, eh …)
Ein weiteres Veteranentreffen anlässlich eines weiteren Jubiläums:
30 Jahre Kozmic Blue, am 30. SEP 2019.
(Fotograf leider unbekannt – bitte melden!)
Kreise schließen sich: 54 Jahre, nachdem der Opa zum ersten Mal mit seinem Bass auf eine Bühne kletterte, um Van Morrisons Gloria in den Saal des Pfarrheims St. Marien in Köln-Nippes zu knödeln, steht er hier auf der Bühne in der Lutherkirche in der Kölner Südstadt, um auf Wunsch der Jubilare dasselbe zu tun. (Ja, er ist ganz schön rumgekommen in der Welt.)
Links an der Posaune steht Achim Fink, vor 28 Jahren Mitglied des Orchester unter der Leitunk bei der legendären Prunksitzunk im Bürgerhaus Stollwerck, am Schlagzeug sitzt – leider unsichtbar – Gerhard Sagemüller, mit dem der Opa vor 27 Jahren sein letztes Schroeder Roadshow-Konzert spielte, in das Mikrophon vor ihm jubelt Inge Mackenthun, die seit 23 Jahren immer mal wieder Texte für ihre Songs in Opas Schreibwerkstatt bestellt, und rechts von ihr an der Gitarre turnt Gerty Beracz herum, mit dem der Opa zum ersten Mal vor 49 Jahren in einer Band spielte, der vor 44 Jahren mit ihm den Vorläufer der Schroeder Roadshow und vor 24 das Rocktrio Rich Choice gründete, und mit dem zur Zeit in Opas Heimstudio ein neues Album mit neuen Songs entsteht …
2022
Ja, Ihr seht richtig: Seit zwei Jahren ist hier nix mehr passiert. Also, hier auf der Website jedenfalls nicht – im Leben da draußen schon. So viel, dass ich erst gar keine Zeit hatte, mich um den berühmten Content zu kümmern, und als ich dann welche hatte, funktionierte plötzlich mein FTP-Programm nicht mehr: Ich konnte ums Verrecken nichts hochladen.
Hat mir eine ganze Weile nicht mal was ausgemacht – man ist ja mit zunehmendem Alter immer mehr auf Gemütlichkeit bedacht und hat gelernt, dass ein Gutteil irgendwelcher geplanter Aktivitäten so verzichtbar ist wie alkoholfreies Bier. Oder monströse chromglänzende Gerätschaften, an denen man nuckeln und Rauch bzw. Dampf saugen kann, um in neuerdings nach Turnschuhen, Schweiß und Axe riechenden Kneipen nicht unangenehm als Raucher aufzufallen und womöglich geteert und gefedert zu werden.
Von Leuten, deren Vorstellung von einem gelungenen Kneipenabend darin besteht, zu den Klängen von Coldplay, Adele und Ed Sheeran drei verschiedene Whiskysorten zu verkosten (während sie den prolligen Biertrinker neben sich mit verächtlich-mitleidigen Blicken bedenken) – Whiskysorten, die pro Glas mehr kosten, als der Biertrinker am ganzen Abend versaufen kann –, und sich dabei über Whiskysorten zu unterhalten. Oder über eBikes, eRoller und eZigaretten. Ein Stichwort, das ihnen die willkommene Gelegenheit gibt, auf ihre Apple Watch zu gucken und lautstark die Werte ihrer Health App kundzutun. Werte, die sie erreicht haben, indem sie mit tonnenschweren Hausfrauenpanzern die zehn Minuten Fußweg zu ihrem Fitness-Studio cruisen, um dort wegen der Zehntausend-Schritte-am-Tag-Regel auf ein Laufband zu steigen.
Vielleicht unterhalten sie sich aber auch über Co-Working-Spaces oder Bitcoins. Oder über Politik. Dann äußern sie ihre Freude darüber, dass die CDU und der bräsige Herr Laschet eins auf den Deckel gekriegt haben, feiern die Ampelkoalition und wahlweise die Grünen oder die FDP, als gäbe es da noch große Unterschiede.
Und wenn der Opa dann gegen Mitternacht noch ein Bier bestellen will, guckt die Bedienung ihn schräg an, denn die Whiskyverkoster sind längst auf dem Heimweg, und der Opa ist mal wieder der einzige und letzte Gast.
Um eine Uhrzeit, zu der er früher erst seinen Kneipenbummel begonnen hat …!
Eh …, wo war ich …?
Ach ja, meine Bio.
Ist ja kein Poetry Slam hier.
Ja, ich lebe noch. Immer noch, auch wenn das manch eine:n erstaunen mag.
Ja, ich habe inzwischen auf den Ohrenarzt gehört: Im Regal neben meinem Schreibtisch liegt jetzt ein Hörgerät. Manchmal trage ich es auch. So alle zwei, drei Wochen, wenn wir Besuch haben und es sich dabei um Leute handelt, die den Eindruck machen, sie legten Wert auf meine Teilnahme an der allgemeinen Unterhaltung. Ansonsten ist dieses Gerät der Horror: Ich kann zwar schon besser verstehen, was um mich herum gesprochen wird (zumindest, wenn nicht mehr als zwei Leute gleichzeitig reden), aber vor allem höre ich mich selbst zehn Mal so laut wie ohne – mein Schlucken und Kauen, das Knitschen und Klappern meiner Zahnprothese, das Rasseln und Pfeifen meiner Lunge … Beim Autofahren habe ich das Gefühl, ich sitze in einem Militärlastwagen aus den 40ern ohne Windschutzscheibe; ganz blöde ist, wenn ich vom Einkaufen kommend die Corona-Maske abnehme und das verdammte Hörgerät dauernd daran hängenbleibt und durch die Gegend fliegt, und zum Musikhören oder gar Musikmachen taugt das Ding einen Scheißdreck.
Dabei hab ich nicht mal das billigste Modell – »gehobene Mittelklasse« nennt der Akustiker es, und ich habe es mir nur leisten können, weil es vor zwei Jahren eine Finanzspritze von der NRW-Soforthilfe gab. Da wusste ich nur leider noch nicht, dass diese Soforthilfe entgegen ersten Versprechungen nicht für die Abdeckung von Lebensunterhalt gelten würde, sondern nur für Betriebskosten. Und ein Hörgerät fällt nicht unter Betriebskosten, nicht mal für einen Musiker.
Bin gespannt, wie das Land NRW nach dem Rückzahlungs-Stichtag darauf reagiert, dass ich die mehreren tausend Ocken, die ich nach der neuen Berechnung zurückzahlen muss, in 50-Euro-Raten abzustottern gedenke.
Aber Musikmachen wäre jetzt ein schönes Stichwort: Wie Ihr auf der Home-Seite sicher schon gesehen habt, gibt es Neues von Caurey – vol. 5 ist eine Produktion, die ein Stipendium mir ermöglicht hat (vielen Dank, Tante Gema!).
Und – tadaaa! – der oben genannte Kollege Beracz und ich haben es in diesen zwei Jahren tatsächlich geschafft, ein gemeinsames Album zu produzieren; es ist fertig, und auch das wird noch in diesem Frühjahr auf die Öffentlichkeit losgelassen. In ein paar Tagen werden wir einen ersten Appetizer in Form eines Videoclips auf YouTube hochladen, und ich hoffe, nicht mehr allzu lange zu brauchen, um die Website für das Projekt the little while präsentieren zu können …
Gerty Beracz & Rich Schwab: the little while, Dezember 2021
Aber ja, ein Privatleben haben wir auch noch. Vor zwei Jahren zog unser Nachbar fort. Und hinterließ zwei seiner Katzen. Die nach einer Weile beschlossen, es sei an der Zeit, sich um neue Dosenöffner zu kümmern. Einige Wochen lang konnten wir die beiden beobachten, wie sie im Garten saßen, miteinander flüsterten, gelegentlich Blicke auf unser Küchenfenster werfend. Dann verschwand die eine, und die andere setzte sich jeden Morgen und jeden Abend vor unsere Terrassentür und miaute.
»Nix da!«, entschied ich. »Wir wollen keine Katzen. Mir reicht's, dass wir keinen Hund mehr haben. Und ich habe nicht die geringste Lust, morgens auf angefressene Mäuseleichen zu treten.«
»Aber die hat doch Hunger«, sagte die Frau. »Die Arme!« Kaufte ein paar Dosen Katzenfutter und einen Fressnapf und stellte ihn gefüllt vor die Tür.
Kam gut an.
Dann wurde es Winter.
Der Napf wanderte nach drinnen (»Die friert doch, die Arme!«).
Drei, vier Mal fraß die Katze drinnen und lief danach brav wieder nach draußen.
Nach der fünften Mahlzeit tapste sie ins Schlafzimmer, sprang aufs Bett und machte es sich gemütlich. »Siehste!«, sagte ihr triumphierender Blick, während sie sich ausgiebig putzte. Und »Bin ich nicht schön?« Doch, ist sie. Norwegische Waldkatze, hatte der Nachbar mal erklärt.
Norwegische Waldkatzen sind insofern eine Ausnahme, als sie sich überaus gern den Bauch kraulen lassen. Stundenlang. Die Frau krault gerne Bäuche (warum hätte sie mich sonst auch heiraten sollen?). Und schon muss sie nicht mehr alleine fernsehen, während der Mann in seinem Studio herumklimpert.
Na gut, haben wir jetzt also ’ne Katze. Püppi.
Püppi verlässt das Haus nur noch (dankenswerter Weise) zum Pinkeln und Kacken. Und ja, zum Mäusejagen, aber ihre Beute-Geschenke legt sie zum Glück vor der Terrassentür ab und bringt sie nicht mit rein. Ich spiele in ihrem Leben nur eine Rolle, wenn die Frau nicht da ist, und das kommt sehr selten vor.
Der Arbeitsplatz der Frau ist im Schlafzimmer, dort steht ihr Schreibtisch vor dem Fenster, mit Blick auf den Garten. Ein paar Wochen nach Püppis Einzug saß eines Morgens ihre Schwester draußen auf der Fensterbank. Und starrte die Frau an. Stundenlang. Saß nur da und starrte die Frau an, dann Püppi, die selig auf dem Bett lag und schlief, dann wieder die Frau. Stundenlang. Tagelang.
Zwei Wochen lang.
”Och, guck mal, wie die guckt …«, sagte die Frau.
»Nix da!", entschied ich. »Ein so’n Vieh reicht ja wohl völlig!«
Aber es war ja Winter. Und Gizmo (so heißt die Schwester) fror. Und hatte Hunger. Und starrte.
Ihr könnt's euch denken – es dauerte nicht mehr lange, da bekam auch Gizmo drinnen was zu fressen, und dann dauerte es auch nicht mehr lange, und zwei Katzen lagen auf dem Bett und ließen sich die Bäuche kraulen.
Auch Gizmo strafte mich eine ganze Weile mit Verachtung, mein Büro schien sie überhaupt nicht zu interessieren. Bis die Frau eines Tages ein Wochenende verreiste …
Na ja – und seitdem lässt Gizmo sich auch schon mal in meinem Büro blicken.
Hört sich meine Musik an und leistet mir gelegentlich Gesellschaft bei einem Nickerchen zwischendurch.
Und jetzt alle: »Die Haup'sach es, et Hätz es joot / Denn dodrop kütt et aan …«
Januar 2023
Leider hielt die Idylle nicht lange.
Was heißt leider – vielleicht auch zum Glück: Die fressen einem ja die Haare vom Kopp, die Viehcher! Nicht nur, weil sie dauernd fressen wollen, sondern auch, weil sie so divenhaft wählerisch sind – die eine Woche mögen sie dieses Katzenfutter nicht, die andere Woche jenes, in der dritten verschmähen sie beide Sorten, und wenn das Trockenfutter länger als zwei Tage im Napf liegt, mögen sie es auch nicht mehr (und all die Knübbelchen, die sie beim Fressen rund um den Napf verstreut haben, natürlich schon mal gar nicht).
Wie und warum auch immer entschied Gizmo sich jedenfalls nach zwei, drei Monaten, doch noch ihrem eigentlichen Dosenöffner zu folgen – sie zog um. Und erstaunlicherweise macht es tatsächlich den Eindruck, als nehme Püppi ihr das kein bisschen übel, im Gegenteil scheint sie es sehr zu genießen, hier jetzt wieder Alleinherrscherin zu sein …
Bin ich also auf meine alten Tage wieder zum Katzenmenschen geworden.
Wo ich doch eigentlich so eine Affinität zu Hunden habe.
Wie gut, dass es da seit dem Sommer ’22 diese überaus liebenswerten neuen Nachbarn gibt – die gelegentlich einen Hundesitter brauchen. Und so froh sind, einen solchen in nächster Nachbarschaft zu haben, dass sie schon nach ein paar Wochen (und etlichen gemeinsamen Bierchen) ein Törchen in den Zaun zwischen unseren Gärten gebaut haben, damit der Opa nicht immer so weit laufen muss.
Und sich bei Bedarf um diese beiden Schätzchen kümmern kann (links Jola, rechts Dana):
Aber genug Katzen- und Hundebilder jetzt – zurück zur Kultur.
Was lange währt, wird endlich … fertig. Ob es gut geworden ist, könnt Ihr seit letztem April selbst beurteilen: Gerty und ich haben es jedenfalls geschafft – unser Album konnte in die Welt entlassen werden. Mehr darüber könnt Ihr hier erfahren: the little while.com. Sogar zweisprachig – wir sind ja international ausgerichtet.
Apropos a) international, b) Zusammenarbeit: Noch zwei sehr schöne, Grenzen überschreitende Kooperationen haben sich im Laufe des Jahres ergeben.
Zum einen habe ich mich mit einem Tschechen zusammengetan, Vladi Nowakowski heißt er, und auch ihn kenne ich schon seit einigen Jahren. Als in den verschiedensten Genres bewundernswert treffsicheren Bassisten, zum Beispiel. Was er nicht zuletzt bewies, als er beim Schroeder Roadshow-Revival-Album Hinterhof der Träume 2008 verlässlich den Part des Bassisten übernahm. Auch als Zechkumpan eignet er sich im Übrigen vortrefflich.
Und literarische Ambitionen hat er auch.
Er hätte da eine Idee für einen Roman, meinte er, käme aber mit dem Ausbauen nicht so richtig in die Gänge – ob wir uns das nicht eventuell mal zusammen näher angucken könnten …
Konnten wir. Ich nutze ja gern jede Gelegenheit, meine eigenen angefangenen Romanprojekte schnell wieder in einem To-do-Ordner zu versenken. Und wenn sich das noch damit verbinden lässt, sich mit einem gut gekühlten Bierchen nicht abgeneigten sympathischen jungen Mann ein paar ausgedehnte Abende um die Ohren zu schlagen, erst recht.
Das noch erfreulichere Ergebnis ist nun, nach einem halben Jahr fröhlicher Arbeit, ein etwa 300 Seiten starker Roman; er hat zwar bisher nur einen Arbeitstitel (Folker hört die Signale), ist aber derzeit fleißig auf Verlagssuche – und wie es, Stand heute (09. JAN 2023), aussieht, hat er (knock on wood!) auch schon einen gefunden. Aktuell besonders lustig ist, dass es in der Geschichte nicht nur (wie immer, wenn ich als Autor involviert bin) um Sex & Drugs & Rock’n’Roll geht, sondern im Krimi-Strang auch um einen Anschlag mit dem Giftstoff Rizin – und gerade heute Morgen die Presse vermeldet, dass die Polizei in Castrop-Rauxel offenbar ein Rizin-Attentat noch rechtzeitig verhindern konnte …
Da fragt man sich doch, wie kommt ein Iraner in Castrop-Rauxel an unser noch geheimes Manuskript …?
Vladi & Rich, Oktober 2022
Als Zweites kam es im Herbst zu einer deutsch-amerikanischen Freundschaft.
Die Geschichte geht so:
Im September 2022 fällt mir eine Anzeige auf Facebook ins Auge: Nicholas Krolak, ein Jazz-Bassist, Komponist und Bandleader aus Philadelphia, schreibt, dass er neue Wege suche, seine Musik unters Volk zu bringen. Er bietet an, ihn auf einer kleinen Reise zu begleiten, und kündigt für Interessierte an, sie sieben Tage in Folge mit einer täglichen Mail auf sieben Etappen der Reise mitzunehmen.
Finde ich interessant, klicke seinen angebotenen Link an und registriere mich als Reisebegleiter. Bekomme prompt eine Mail mit einem Link auf eine Website (exklusiv für Registrierte), auf der Nicholas a) von sich und seiner Idee erzählt, b) einen Videoclip präsentiert, in dem er mit seiner Band live eine seiner Kompositionen spielt, und c) die Noten für diese Komposition veröffentlicht – und d) schreibt, dass er sich sehr freuen würde, wenn andere Musiker Lust hätten, eine Cover-Version von seinen Stücken zu produzieren.
Am zweiten Tag schreibe ich ihm, wie toll ich seine Idee und deren Umsetzung finde – und dass mir das zweite seiner Stücke so gut gefällt, dass ich mich tatsächlich gleich darangesetzt habe, eine Cover-Version davon einzuspielen. Das freut ihn riesig, und er ist einer der Wenigen, die dem Link in meiner Mail-Signatur auf meine Website folgen. Worauf sich eine rege Korrespondenz zwischen Jüchen und Philadelphia entwickelt, erst recht, als ich ihm meine fertige Version seines Songs schicke (die er – hoppla! – sehr gelungen findet).
Ich hätte da umgekehrt mein Stück To Absent Friends (https://youtu.be/Q-Sk3iLD130), das ich wirklich gern mal von einer Jazzband gespielt hören würde, antworte ich ihm. »Sehr schöner Song!«, schreibt er, und dass er im Oktober mit seinen Kollegen ein paar Tage im Studio sei, um ein paar andere Sachen aufzunehmen, und wenn die Zeit es zuließe, würden sie sich mal an dem Stück versuchen.
Ich feiere natürlich die Aussicht darauf, dass ein paar amerikanische Jazzmusiker eine Komposition von mir aufnehmen, rechne aber nicht wirklich damit. Begleite ihn weiter auf seiner schönen Reise und erfahre Ende Oktober, dass auch seinen Kollegen mein Stück gefiel – und sie es tatsächlich aufgenommen haben. Hurra!
Bis ich es hören könne, dürfte allerdings einige Zeit vergehen, schreibt Nicholas – jetzt käme ja erst mal die von ihm als anstrengend und schwierig empfundene Phase des Abmischens und Masterns auf ihn zu.
»Falls ich dir irgendwie behilflich sein kann …«, antworte ich. »Ich habe zwar noch nie Musik von live im Studio spielenden Jazzmusikern abgemischt, aber reizen würde mich diese Herausforderung natürlich schon.«
Ach, er sei immer für Experimente zu haben, antwortet er – und schickt mir die Audiospuren eines Tracks. Ich mache einen sorgfältigen Mix und schicke ihm den.
»Wow!«, kommt es zurück, »das klingt ja fantastisch! Da hängst du die Latte aber hoch, denn dein Mix ist jetzt unsere Blaupause für die anderen Songs …!«
Wow. Aber es geht noch weiter und kommt noch besser.
»Und falls du eventuell noch einen zweiten Mix davon machen möchtest, gern auch experimenteller …«
»Ich weiß zwar nicht, was du in dem Zusammenhang unter experimentell verstehst«, schreibe ich, »aber ich würde meinen Mix lieber so lassen – das ist das, was ihr da gespielt habt, und jetzt irgendwas daran rumzufummeln käme mir vor wie ›was machen, nur um was zu machen‹. Allerdings habe ich beim Abmischen der Versuchung nicht widerstehen können, dem Stück mittels einer von mir gespielten Synthesizer-Spur noch eine Prise mysteriöser Atmosphäre hinzuzufügen – hier die erweiterte Version …«
Und all das freut mich nun so ungemein, dass ich mich sogar mal wieder aufraffen konnte, diese meine Website auf einen neueren Stand zu bringen – her mit den Fleißkärtchen …!
Um es etwas kürzer zu fassen: Die Idee fand er großartig, und ich durfte daraufhin noch zwei weitere seiner Aufnahmen abmischen – und mit subtiler elektronischer Atmo würzen. Eine davon mein eigenes Stück. Und diese drei Songs, an denen dann auch andere Musiker aus aller Welt in der einen oder anderen Weise beteiligt waren, wird er nun im Januar als EP veröffentlichen.
Das finde ich sehr, sehr schön.
Hier ein Appetithäppchen.
Wusste ich nicht schon mit vierzehn, als ich meine erste Bassgitarre, eine Corina von Hertie, in der Hand hatte, dass ich mal weltberühmt werden würde …?
Nicholas Krolak, 2022
Die Freude nimmt kein Ende – im Januar bekundeten mehrere Verlage Interesse an unserem Folker-Roman. Vladi und ich entschieden uns für die sympathischen Leutchen des Dittrich-Verlags, nicht zuletzt, weil der nicht allzu weit von uneren Wohnorten entfernt ist, aber auch, weil sie unseren Arbeitstitel zwar anfangs gar nicht mochten, sich aber überreden ließen, ihn dann doch passend zu finden. Wie sie sich überhaupt sehr entgegenkommend und kompromissbereit zeigten.
Und tatsächlich ist es nun so weit: Ab dem 10. April 2023 ist das Buch im Handel – hurra!
Erste Rückmeldungen von Testlesern lassen hoffen, dass noch viele andere Leser, -innen und -sonstige deren Meinung teilen. Der alte Weggefährte Uli Hundt meint zum Beispiel: »Ein deftiger Kriminalroman mit allen Schikanen, wild, schräg, ungestüm. Überzogen über Schmerzgrenzen, radikal, durchgeknallt, rau und herzlich, liebevoll und heiter …«
Wer wäre ich, dem alten Schweinehundt da zu widersprechen?
Eine kurze Leseprobe findet Ihr unten auf meiner Leseecke-Seite.
Und natürlich auf den einschlägigen Verkaufsplattformen. Oder gleich beim Verlag.
Die Autoren spekulieren nun darauf, dass das Buch ein Publikum findet, freuen sich auf die eine oder andere Live-Lesung (s. Termine) und sind derweil vergnügt damit beschäftigt, Band 2 zu schreiben …
15. Juni 2023
Die lieben Leute vom Dittrich-Verlag pflegen die schöne Sitte, ihren Autor:innen ein paar Fragen zu stellen, sie beim Antworten zu filmen und die Videos dann auf der Verlags-Website zu veröffentlichen.
Da machten auch mein Co-Autor und ich gern mit – das Ergebnis findet Ihr hier … Oder hier …
Unsere beiden Frühjahrslesungen kann ich, glaube ich, als gelungen bezeichnen – das Publikum hatte jedenfalls offensichtlich viel Spaß dabei. Wenn auch ein Zuschauer der zweiten beim anschließenden Bier meinte, mir via Brigitte Ratschläge vermitteln zu müssen:
»Also, das fand ich ja höchst grenzwertig – so grantig und schlecht gelaunt kann man doch keine Lesung präsentieren! Das ist ja eine Zumutung fürs Publikum!«
»Ich weiß nicht, was du damit meinst«, erklärte ihm die erstaunte gute Frau. »Der Rich war doch total gut drauf heute – du solltest ihn mal erleben, wenn er wirklich schlechte Laune hat …«
Na, ich wünsche dem Mann das nicht.
foto: Schwab-Archiv
(Und lasst euch nicht verwirren – die Wasserflasche da ist für den armen Vladi, der anschließend noch heimfahren musste; mein Bier steht hinter dem aufgeklappten, bereits verkauften und auf eine Widmung wartenden Buch …)
(Ja, ja, richtig gelesen: Es gibt Leute, die das Buch kaufen …!)
Nun ist erst mal Sommerpause, zumindest was Live-Aktivitäten angeht – wir nutzen sie, um uns weiter mit Folkers zweitem Abenteuer zu beschäftigen. Und wenn's da mal Lücken gibt, versuche ich, den fünften Büb-Klütsch-Roman zu vollenden. Es ist derzeit nicht auszuschließen, dass beide im kommenden Herbst erscheinen können.
Aber keine Angst – ich achte auf meine work-life-balance: Meine Freizeit kommt nicht zu kurz, dafür sorgen schon die Nachbarhunde:
»Ah, der nette Opa ist wieder da – was hast du denn da in der Tasche …?«
Und dass ich's mir dann abends gelegentlich so richtig gemütlich machen kann, hab ich auch den lieben Nachbarn zu verdanken: Sie haben mir, als Dank für mein Hundesitten, doch glatt diese feine kleine Feuerschale geschenkt. Ich bin begeistert.
Neben An-einer-Theke-Hocken, Am-Meer-Sitzen und An-einem-Fluss-Sitzen auf meiner Hitliste entspannender Freizeitaktivitäten nämlich ganz oben:
3. Im Garten sitzen.
2. Im Garten an einem Feuer sitzen.
1. Im Garten an einem Feuer sitzen, ein eiskaltes Kölsch in Griffweite.
Könnte ich heute Abend eigentlich ruhig mal wieder tun.
Prost, Kinners, bis demnächst.
Okober 2023
Ein schöner Sommer war's. Zeitweilig arg heiß (Rekord auf unserer Terrasse: 42°) und für Flora und Fauna bedenklich trocken – da hat es sich mal wieder gelohnt, den Winter über den Regentank volllaufen zu lassen.
Bei allem in der Hitze vor sich hin Dösen machte sogar die Arbeit an Folker Bd. 2 Fortschritte – leider bis dato inhaltlich nicht zur vollen Zufriedenheit der Autoren, da werden wir an Plot und Ausschmückung noch ein Weilechen zu knabbern haben.
Trotzdem ist die Stimmung gut – gut genug auf jeden Fall, wem wenig geliebten Winter einigermaßen wohlgemut entgegen zu blicken.
Schade nur, dass das irgendwelchen missgünstigen Göttern offenbar nicht passt. Nicht nur, dass einem von einem Blick in die Nachrichten zur Zeit kotzübel werden kann – dann trifft einen auch noch so was:
(Wobei das Sterbedatum auf diesem Foto nicht ganz korrekt ist – der Gerichtsmediziner hat sich inzwischen auf den 12. Oktober festgelegt.)
Ein Schock.
Ich hatte den langjährigen Kollegen, Tresenkumpel und Freund zwar zuletzt vor zwei Jahren gesehen und ein wenig erschrocken feststellen müssen, dass er sichtlich gealtert war und – zumindest an dem Abend – wenig von der gewohnten guten Laune spüren ließ … Aber dass es so schlecht um ihn stand, dass er uns schon so bald verlassen könnte, hätte ich im Traum nicht gedacht.
Jetzt sitze ich hier, sieben Jahre älter, als er werden durfte, und kann es immer noch kaum fassen.
Bei einem Treffen eine Weile vorher stand eine Runde Kollegen in mehr oder weniger unserem Alter am Stehtisch in einer gastronomischen Landschaft und, wie das in dieser Lebensphase so ist, tauschten wir Zipperlein aus. Die Tür geht auf, Frank Hocker kommt rein, kriegt das mit und sagt, mit seinem typischen Hocker-Grinsen: »Jeder nur eine Krankheit, bitte!«
Bis heute weiß ich nicht, welche ihn denn nun geschafft hat.
Am 10. November fand in der Kulturkirche in seiner Heimat Köln-Nippes eine Gedenkfeier statt …
Ob ich nicht Lust hätte, ein paar Worte zum Gedenken an Frank zu sagen, fragte mich unser Kollege Jächt Köster.
Lust ist ja nun so ziemlich das Letzte, was man in so ’nem Fall verspürt. Aber er meinte dann, es solle ja keine Trauerrede werden, wir sollten einfach zusammenkommen, uns an ihn erinnern, ein paar Anekdötchen erzählen und ihm ein Ständchen bringen.
Man weiß ja immer noch nicht, was überhaupt wird aus Menschen, die sterben – oder, wie es heutzutage so gern formuliert wird, über die Regenbogenbrücke gehen, aber vielleicht ist es ja so, wie viele Menschen glauben: dass irgendwo da draußen im Universum eine Seele schwebt und tatsächlich mitkriegt, was wir Überlebenden hier so treiben. Vielleicht hörst du ja zu, Fränkie.
Und erinnerst dich mit mir an ein paar meiner Lieblingsanekdoten mit dir (ich könnte damit natürlich einen ganzen Abend gestalten, aber ich picke mir für heute mal nur drei davon raus, die mir nach Jächts Anruf spontan in den Sinn kamen …)
Anekdote 1. Ende der 70er. Frank ist gerade in die Band eingestiegen (Schroeder Roadshow, falls das jemandem noch was sagt), wohnt in Köln und kommt für ein paar Probentage immer zum Schroeder-Domizil in der Eifel.
Das Haus war voll, alle Zimmer belegt, aber meine damalige Gattin war so nett, uns ihr Doppelbett zur Verfügung zu stellen und schlief dann im Kinderzimmer. Oft war es so, dass wir das mit dem Proben noch halbwegs erst nahmen und an solchen Abenden schon recht früh und relativ nüchtern schlafen gingen.
Aber natürlich genau deswegen lange nicht einschlafen konnten.
Also blödelten wir ein bisschen rum, was man mit Herrn Hocker ja ausgesprochen gut konnte, oder machten das Radio an und hörten stundenlang die ARD-Nachtmusik. Die regelmäßig von Elmar Gunsch moderiert wurde. Wir waren damals der Meinung, dass der diesen Job gekriegt hatte, weil die Redaktion sichergehen wollte, dass die Hörer daheim auch wirklich einschliefen.
Wie auch immer – an einem dieser Abende kündigte Elmar einen Song von Hot Chocolate an: Tears on se Telephone. Und hat uns den Titel netterweise mit seiner salbungsvollen Stimme auch gleich übersetzt: »Tränen auf dem Telefon …«
Frank und ich fielen vor Lachen aus dem Bett, guckten uns an, zuckten mit den Schultern, stiegen wieder in unsere Klamotten und gingen wieder runter in die Kneipe. Wo uns alle jetzt für endgültig bescheuert hielten, weil wir bis vier Uhr morgens aus dem Kichern überhaupt nicht mehr herauskamen.
(Klar, das sind so Schmankerl aus der Abteilung ›Der Opa erzählt wieder vom Krieg‹ – und das Amüsement der zuhörenden Enkel an Geschichten, die anno dazumal, live erlebt, total lustig waren, hält sich dann beim Erzählen schon mal in Grenzen. Aber ich kann euch versichern: Frank und ich haben uns seinerzeit köstlich amüsiert …) (Dafür gibt’s Zeugen.)
Anekdote 2. Anfang der 80er. Im Kölner Proberaum der Schroeders gibt’s mal wieder heftige, endlose Diskussionen. Wie so oft bei solchen Gelegenheiten gucken Frank und ich uns irgendwann an, zucken mit den Schultern und sagen: »Gebt uns Bescheid, wenn ihr alles geklärt habt – wir geh’n mal eben an die frische Luft.«
Stehen also um zwei Uhr mittags in der Pupille um die Ecke, einer unserer Stammkneipen, und bestellen zwei Wasser. Der lange Dieter – der Wirt – starrt uns eine Weile … entsetzt an. »Na, gut«, korrigieren wir geschlagen, »zwei Bier.« Und blödeln halt bei ein paar Bierchen so rum und warten darauf, dass einer unserer Kollegen kommt und uns sagt, dass die Probe weitergehen kann.
Dabei fällt uns unsere Urlaubsfahrt durch Frankreich ein, und albern, wie wir sind, machen wir uns mit viel Rö-rö-rös und nasalen Äng-ängs über die Franzosen und ihre Sprache lustig.
Beim vierten Bier geht die Tür auf, und ein Typ kommt rein. Kleiner Schnurrbart, schwarze Baskenmütze schräg auf dem Kopp und ein Baguette unterm Arm – das lebende Klischee des Franzmanns.
Wir brechen in hysterisches Gelächter aus.
Gucken uns an, zucken mit den Schultern, drehen uns synchron zur Theke um und bestellen unisono: »Dieter, zwei Pernod!«
Bei den zweien blieb es dann natürlich nicht. Und der Rest der Probe musste leider ausfallen.
Anekdote 3. Anfang der 80er. Die Band hat einen Auftritt in der Aula der Braunschweiger Uni. Vorverkauf: sehr vielversprechend. Nach dem frühen Soundcheck verabschieden Herr Hocker und ich uns, wie so oft, und suchen und finden die nächste Kneipe links. (Alte Tourneeregel bei uns: Wenn man sich in einer fremden Stadt mal aus den Augen verliert – was bei dem Chaotenhaufen ja nicht selten vorkam –, guckt man nach der nächsten Kneipe links. Was für andere in der Band oft für Verwirrung sorgte, wenn sie uns da nicht fanden – aber natürlich ging es um die nächste taugliche Kneipe; das konnte dann auch schon mal die vierte um die Ecke sein – Frank nannte es immer ›einfach der Nase folgen‹ …)
In Braunschweig jedenfalls ist es tatsächlich die erste. Das war damals die Hocker-Schwab-Phase, in der wir uns für solche Fälle mit einer Rolle Markstücke bewaffneten, um uns unser Bier an den damals aufkommenden Ballerautomaten mit dem Abschießen von Außerirdischen zu verdienen.
Showtime 20h, also gehen wir um kurz nach sieben pflichtbewusst rüber zur Uni. Und stehen vor verschlossen Türen. Riesige Glastüren, hinter denen man nicht nur eine Unmenge von Schroeder-Fans sehen kann, sondern auch ein paar junge Ordner, die uns wild gestikulierend klarzumachen versuchen, dass ausverkauft sei – wir kämen nicht mehr rein. Alles Gestikulieren und Luftgitarre spielend in Richtung Bühne zeigen unsererseits nützt nix – wir kommen nicht rein.
Gucken uns an, zucken mit den Schultern – gehen wieder rüber in die Kneipe und trinken noch ein Bier oder zwei.
Kurz vor acht gehen wir noch mal zur Uni. Gleiches Ergebnis. Gleiche Reaktion unsererseits.
Um viertel nach acht, also nach dem etwa fuffzehnten Bier, versuchen wir’s noch mal. Endlich steht zwischen den genervten Ordnern auch unser Sänger und scheint ein bisschen nervös zu sein. Schafft es aber trotzdem, denen zu erklären, dass das Konzert ohne die zwei Typen da draußen gar nicht stattfinden könne.
Wurde dann noch ein sehr gut gelaunter und erfolgreicher Auftritt. Erstaunlicherweise, wie der eine oder andere in der Band fand.
Ja, ich weiß, nicht jedes unserer Bandmitglieder fand das lustig damals. Finden das heute noch nicht lustig. Und ja, es gäbe sicher gute Gründe für mich, mich jetzt hierhin zu stellen und zu singen When I think of all the good time that I’ve wasted havin’ good times …
Aber ich fand sie nicht verschwendet, diese Zeiten. Sie waren schön. Wir waren Kinder, ja, alberne Kindsköpfe womöglich, aber wir haben diese Zeiten des unbekümmerten Blödelns und Lachens und des Versackens genossen. Schließlich gab und gibt es immer reichlich genug da draußen, worüber man den Kopf schütteln, was man grauslich finden und wovor man Angst haben kann.
Da muss man doch, und darin waren Frank und ich uns einig, jede Gelegenheit nutzen, auch mal Spaß zu haben. Das bedeutet ja nicht, dass man vor all dem anderen den Kopf in den Sand steckt. Und da ist es auch wurscht, ob andere den Spaß verstehen oder nicht.
Wir hatten ja auch andere Seiten.
Von der Musik, die wir immer sehr ernst nahmen, mal abgesehen.
Feuer. Und Wasser.
Mit Frank konnte man wunderbar an einem Lagerfeuer, an einem Fluss oder am Meer sitzen – und einfach nur gucken. Still sitzen, nicht rumblödeln, nicht philosophieren, schon gar kein Smalltalk – einfach nur schweigend dasitzen und ins Feuer oder aufs Wasser gucken. Wir haben es beide zeitlebens sehr genossen, dass wir das ziemlich gut miteinander konnten.
Mitte der 80er haben wir mal zusammen Urlaub auf Mallorca gemacht. Wenn Frauen und Kinder schliefen, saßen wir zwei dann schon mal gern auf dem Flachdach der gemieteten Finca und guckten still auf das Meer oder in den Sternenhimmel.
Und einmal sagte Frank: »Dat sin su Momente, Rich, da denke ich, ich künnt jetz joot sage ›Vielen Dank, et wor schön‹ – un einfach afftredde.«
Und so stelle ich mir gern seine letzte Stunde vor. Er sitzt da, unter dem Baum im Garten seiner neuen Wohnung, guckt sich still den Garten und den Himmel über Nippes an – und denkt genau das. Und tritt ab.
Und mein einziger Kommentar dazu kann nur sein: »Vielen Dank, Frank, et wor schön … met dir.«
Wie schon erwähnt, bin ich ja seit meiner Kindheit das, was man eine Leseratte nennt. Und seit meiner frühen Jugend hatte ich immer wieder Phasen, in denen ich kiloweise sogenannte Wildwest-Romane verschlang. Aus denen mal ja eine Menge lernen kann.
Ich zum Beispiel lernte, dass ein Mann gut beraten ist, seinen Platz in einem Saloon klug zu wählen: Mit dem Rücken zu einer Wand, damit dich niemand von hinten angreifen kann; mit dem Gesicht zur Tür, damit du sofort im Bild bist, wer reinkommt; und immer die rechte Hand freihalten, falls du mal schnell deinen Colt ziehen musst.
Das alles habe ich mir so zu Herzen genommen, dass ich nur höchst selten anders sitze (und mich dann auch nicht wohlfühle), und das ging sogar so weit, dass ich, seit ich mit vierzehn anfing zu rauchen, meine Zigarette immer in der linken Hand halte.
Vor einigen Jahren machten Brigitte und ich mal einen Ausflug nach Nippes, um in der Kneipe eines Wirtekumpels ein Bier zu trinken. Wer kommt irgendwann rein – Frank Hocker natürlich. Prompt zog sich der Abend hin, aber irgendwann stellte sich zu unserem Bedauern heraus, dass der Wirt aus Gründen dazu verurteilt war, die offizielle Sperrstunde einzuhalten.
Freilich hatte Frank noch eine andere Stammkneipe in petto. eine etwas neuere, die ich von innen noch gar nicht kannte. Also wanderten wir zwei Blocks weiter dorthin. Da alle, die mitzogen, nur langsam vorankamen, weil sie die ganze Zeit was zu labern hatten, legte ich einen Schritt zu – ich hatte schließlich Durst.
»Ich erzähl dir mal, wie gut ich den Rich kenne«, sagte Frank unterwegs zu Brigitte, berichtete sie mir später. »Ich weiß genau, wo der gleich sitzt – wenn wir reinkommen, rechts am Ende der Theke, auf dem letzten Hocker an der Wand.«
Und wo saß ich, als sie reinkamen?
Genau.
Und bei der nächsten Gelegenheit werde ich dort noch einmal sitzen – und zwei Bier bestellen.
Eins für mich und eins für dich, Fränkie.
17. August 2024
Und wieder ein Jahr rum.
In dem sich wieder einiges getan hat. Nein, das mit dem 20 Kilo abnehmen hat leider nicht geklappt – was aber auch kein Wunder ist, wenn man jeden Tag, eight days a week, mindestens 10, 12 Stunden am Schreibtisch sitzt. Wo man mit einer Arbeit beschäftigt ist, die vieler kreativer Ideen und viel Konzentration bedarf – bei der man also, um beides zu fördern, ständig rauchen muss. Und wie soll man abnehmen, wenn man, um nicht ganz so furchtbar viele zu rauchen, immer wieder zu der großen Dose mit Keksen und Schokolade greifen muss …?
Ein Trost: Die Arbeit hat sich gelohnt.
Ergebnis 1: Der zweite Folker-Roman ist fertig. Nachdem sich im letzten Herbst herausstellte, dass der Kollege Vladi Nowakowski und ich uns, Plot und Arbeitsweise betreffen, leider nicht einig werden konnten, schlug er netterweise vor, ich solle das Buch doch allein zu Ende schreiben.
Hab ich gemacht. (Und nein, wir haben uns nicht zerstritten, wir sind nach wie vor gute Kumpels und trinken gern das eine oder andere Bier zusammen.)
Und obwohl die bisherigen Verkaufszahlen von Folker hört die Signale niemanden vom Hocker schmeißen (vielleicht hätten wir doch so einen roten Potenzieller Spiegel-Bestseller!-Sticker auf das Cover kleben sollen?), ist unser Verlag bereit, Folker und das Lied vom Tod zu veröffentlichen – das Buch erscheint im kommenden September, und zwar hier. Und so sieht's aus:
Und das ist der Klappentext:
Alle Wege führen nach Rohm.
Na ja, sicher nicht alle. Aber unser Folker kommt im brütend heißen Sommer 2023 gar nicht umhin, das kleine Eifeldorf mal wieder zu besuchen. Von ländlicher Ruhe und Idylle kann allerdings diesmal keine Rede sein: Der Streit um geplante Photovoltaik-Parks, also Millionen-Investitionen und Traumprofite für Bauern und Grundbesitzer artet unerwartet in einen blutigen Krieg mit erschreckenden Kollateralschäden aus.
Zwischen skrupellosen Investoren, korrupten Politikern, geldgierigen Bauern und wenig zimperlichen Heavy Metal-Fans versuchen Folker und seine Freund:innen einen Mörder zu finden …
Schon mal was sehr Erfreuliches also.
»Och, das lief ja ganz gut«, sagte ich mir daraufhin, »Wie wär's denn, wenn du die gute Laune der Muse dazu nutzt, dir endlich mal wieder den fünften Büb Klütsch-Roman vorzunehmen?«
»Na ja, probieren kann ich's ja mal«, antwortete ich mir. Die Keks- und Schokoladendose war ja längst noch nicht leer. Und der Manuskriptentwurf schon mindestens halb fertig.
Zwei Monate später war er ganz fertig. Und meine beiden Testleser und sogar meine Lieblingslektorin waren zufrieden mit Zehn Zentner Blues – der fünfte Büb Klütsch-Roman. Jetzt fehlt uns nur noch ein Verlag …
Die Muse schien mir immer noch zugeneigt zu sein.
»Was ist denn eigentlich mit Asche im Wind?«, fragte ich mich. Ein Romanfragment, das nun schon um die zehn Jahre auf meiner Festplatte und in meinem Hinterkopf der Vollendung harrte.
»Schau'n wir doch mal«, antwortete ich mir diesmal und kramte es hervor.
Und was soll ich sagen – wieder zwei Monate später konnte ich auch darunter ein fettes FIN. tippen.
Aber nicht nur das – meine Testleser und die Lektorin waren nicht nur zufrieden: Sie sind begeistert!
Auch für dieses Buch muss nun »nur« noch ein Verlag gefunden werden …
Ich weiß: Übermut tut selten gut. Aber wie sagt der Kölner: Wenn et läuft, dann läuft et – zapp mir auch noch eins, Helja!
Weshalb ich, Stand heute, bereits auf Seite 121 des dritten Folker Schmittem-Romans angelangt bin. Arbeitstitel Folker und das Influencer.
Weniger rauchen?
Weniger Süßigkeiten fressen?
Abnehmen?
Ja, wie denn …?!?
Rich, Juli 2024