foto: victor dahmen, 1980

1981

Erst mal bringen wir unseren ersten Auftritt im Rockpalast hinter uns (nein, nicht Schroeder´s, sondern der echte!). Im Berliner Metropol, in einer Serie mit u.a. Joe Cocker und Dr. Feelgood. Man merkt der mittlerweile recht eingespielten Band auch höchstens streckenweise an, dass sie nicht zum ersten Mal in einer Stadt ist, die zu unser aller Verblüffung und – eh … Wohlgefallen gar keine Sperrstunde kennt. Trotzdem kann das Anschauen der Aufzeichnung nur Hardcore-Fans nach dem Genuss von Sucht-Euch-was-aus empfohlen werden – hätzliche Grüße an dieser Stelle auch an die phantasievollen Toningenieure des WDR!

Gut eingespielt auch deswegen, weil es mal wieder einen neuen Gitarristen gibt. War natürlich auch ´ne Schnapsidee gewesen, die beinahe-siamesischen Zwillinge Köster und Frank Hocker zu trennen. Na ja, jetzt waren sie endlich wieder zusammen, und Hockers sonniges Gemüt tut nicht nur dem Altmeister gut (der sich an dieser Stelle mal für all die wunderbaren, oft zwerchfellbedrohlichen Stunden in Doppelzimmern, Spielhöllen und Kaschemmen bedanken möchte!).

Jetzt hab´ ich ganz vergessen, in welchem Jahr wir sind. Liegt vielleicht auch daran, dass ich beim Verfassen dieser Zeilen Nat King Cole höre … Unforgettable … eben.

Und außerdem merk´ ich gerade, dass ich doch, tatsächlich, ziemlich abschweife, quasi von Hölzchen auf Stöckchen komme, wie man so sagt – schließlich soll das doch hier eigentlich nicht ein Road Movie werden, sondern bloß so ´ne Bio …

„Ach, schon wieder Kochrezepte!? Voll ätzend, ey!“, hör´ ich da von hinten unten links ein paar Jungspunde krähen. Nein, Kinners, Bio kommt eigentlich nich´ wirklich von Biolek! Das kommt aus Griechenland! Bios: Dat Lehm! Bio-Rhythmus is´ ja auch nich´ das Tempo, in dem man Fischstäbchen auftauen kann, sondern – eh … der andere!

Un´ auch Bio-Logie kommt daher, also das Schulfach zwischen Englisch, Mathe und Eduscho, in dem ich ab dem zwölften Lebensjahr immer ´ne Fünf hatte (in dem Schulfach, nich´ im Eduscho – da hatte ich meistens zwölf, mindestens …!), möglicherweise nicht nur, weil unser Bio-Lehrer nach unserer jugendlichen Einschätzung ein alter Nazi war (nicht, dass wir an dieser Schule gelernt hätten, wer oder was Nazis waren), der einen bei Unangenehm-Auffallen 14-20-seitige Strafarbeiten schreiben ließ (allerdings auch kein großes Problem – die waren dank mit adoleszentem Schwung ausholender Handschrift schnell schon mal voll mit

[Tag/Datum]. Dies ist die Seite Eins der zwanzigseitigen Strafarbeit von Richard Schwab, Klasse Quinta A, vom [Tag/Datum] für [Tag/Datum] zum Thema: Kapillarwirkung bei den Hochlandgräsern der deutschen – Seite Zwei – Mittelgebirge unter Berücksichtigung dessen, was wir letzte Woche in der Biologiestunde vom [Tag/Datum]

sondern möglicherweise auch deswegen, weil Hansi Schöller und Yours Truly in der letzten Reihe saßen und – schließlich war Biologie-Unterricht – ausgiebig untersuchten, wer schon wie viele Haare am Sack hatte, wer wie lange brauchte, um eine Erektion herbeizuführen (bei sich selbst, ohne Anfassen), und wie lange er dann noch (okay, mit Anfassen) brauchte, bis – eh … schnell ein Taschentuch hervorgekramt werden musste (puh!).

Besetzung 6:

Gerd Köster - vox

Gerty Beracz - gui, vox

Frank Hocker - gui, vox

Jesus Canneloni - sax

Rich Schwab - b, vox

Richard Herten - dr

rockpalast, metropol berlin 1981, fotos: manfred becker

Eine kleine Auswahl der SCHROEDER-Tournee-Gastmusiker:


Roland Schaeffer - sax

Matthias Keul - keys

Andy H. - tp

Veronika von Quast - vox

Bettina X - vox

Uwe Müllrich - b

Deddy Köhne - b

Bodo Teising - choreographie

(mehr fallen mir gerade nicht ein…)

Apropos Kaschemmen … Schönes Beispiel für die Gastro-Kultur der damals noch geteilten Stadt: Kommen ein paar rheinische Musikanten, alle zugegebenermaßen bereits mit einem kleinen Stein im Schuh, morgens um halb sechs „auf einen Absacker“ in eine bis dahin unbekannte Kneipe in einer bis dahin unbekannten Seitenstraße. Bei Peter könnte die teilweise flackernde gelbe Neonschrift im Fenster bedeuten.

„Moin! Kriegen wir noch´n Bier?“ grüßen sie die somnambule Gestalt hinter der Theke freundlich. „Oder macht Ihr –“ mit einem Rundblick über die drei, vier halbwachen Gestalten, die zum ansteckenden Rhythmus von Fleetwood Mac´s Albatross in ihr Bier nicken, „ …gerade Feierabend?“

Und ernten schallendes Gelächter.

„Feierabend? Hier?! Der Laden war in sechzehn Jahren keine drei Stunden zu!“

Dass das nicht im geringsten Aufschneiderei war, erleben wir ein, zwei Jahre später, als wir einen weiteren der mittlerweile obligaten Abstecher zu Peter machen. Kommen rein – und prallen entsetzt zurück: Taghell, der Laden, um drei Uhr nachts, und die Theke mit Bettlaken und Zeitungen zugedeckt. Dahinter, auf einer wackligen Leiter, ein Typ mit einem taz-Schiffchen auf dem Kopf, der die Wand hinter dem Tresen bepinselt! Dann Erleichterung – hinten sitzt Peter neben dem Billardtisch auf einem Hocker, auf dem Tisch ein Fass Bier und ein Bataillon Gläser, und macht uns mit heftigen Gesten darauf aufmerksam, dass unser Bier schal wird, wenn wir unsere Ärsche nicht bald mal nach hinten bewegen. Worte kann er sich sparen – Albatross ist heute wieder ziemlich laut, weil Schrippen-Anja und Ossi-Ede mal wieder Versöhnung tanzen müssen …

Hab´ ich schon erwähnt, dass JEDES MAL, wenn ich bei Peter war, hinterm Tresen, IMMER entweder schlafend oder mit Augen auf halb acht „wachend“, an einer Art Grill ein schätzungsweise hundertvierzigjähriger Grieche saß, für den Fall, dass mal irgendjemand auf die Idee käme, einen seiner Balkan-Cheeseburger zu bestellen?

Jaaa, Elke – Those were the days, my friend

Was wollt´ ich sagen …? Ah ja – nicht mehr so abschweifen. Bio.

Ach ja, Kinners: in diesem Fall kommt Bio zwar immer noch aus Griechenland, (genau wie Tsatsiki, Sirtaki und Sukiyaki – aber das nehmen wir ein andermal durch), aber von Bio-Graphie – und graph heißt ja, wir Ihr alle sicher schon wisst, Schreiben; daher auch: Kalli-, Foto- und Pornographie …

Dass ich mal was mit Schreiben und Papier zu tun haben würde, war schon recht früh in meinem Leben abzusehen – erst kam das Vorlesen, dann das Lesen, auf das das Vorlesen mir Lust gemacht hatte. Was dazu führte, dass ich mit fünf bereits die komplette Bertelsmann-Lesering-Sammlung meiner Großmutter verschlungen hatte (was übrigens literarische Sym- und Antipathien für den Rest meines Lebens prägen sollte – Leute, die schreiben wie Thomas Mann, mag ich heute noch nicht, solche, die schreiben wie Hemingway, schon eher …(„Und warum schreibst Du dann hier so endlos lange Sätze?“„Na, damit Du was zu fragen hast, Klugscheißerle!“).Dann kam das erste Schuljahr – und ein Rückschlag: mein pädagogisch offenbar schwer gebildeter Lehrer stellte mich ahnungsloses i-Dötzchen vor die dritte Klasse, damit die faulen Säcke dort mal hören konnten, wie man anständig vorliest … Hatte natürlich prompt zur Folge, dass ich mit zerrissenem Hemd, einem blauen Auge und einem Milchzahn weniger nach Hause kam, weil die faulen Säcke, gar nicht so faul, sich „den Streber“ auf dem Heimweg mal zur Brust genommen hatten.Was meine pädagogisch nicht weniger ausgebuffte Mutter zu der folgenschweren Drohung veranlasste: „Wenn du noch einmal nach Hause kommst und heulst, weil dich jemand verhauen hat, kriegst du von mir noch eine Tracht Prügel dazu, gegen die die Kloppe da draußen gar nix is´!“. Das wirkte – aus Angst vor Mutti wurde ich zum Mann.

Daher, nur wenige Jahre (und zwei, drei weitere blaue Augen) später: Boxverein. Blitzkarriere. Und mit dreizehn: Kreismeister! Gewichtsklasse. Papier C (sic! Papier! Literatur!). Auch dass ich mir ein Jahr später im Herbst mit Zeitungsaustragen den Gigbag für den ersten Bass zusammenverdienen musste, den ich im Sommer mit sechs Wochen Obstkistenschleppen im Großmarkt erwirtschaftet hatte, förderte meine Leselust nicht wenig. Die führte allerdings leider auch dazu, dass ich den Job rasch wieder los war – bis ich ALLES gelesen hatte, was mir da zur Auslieferung Montags ins Haus kam, von HörZu bis Frau im Spiegel, von Das Beste aus Reader´s Digest bis Quick und Stern, war es oft schon Freitag, und etliche Abonnenten hatten sich bereits massiv beschwert. Dabei konnten die noch froh sein, dass ich ihnen nicht schon alle Kreuzworträtsel weggelöst hatte …

Zurück zum Thema.

Dank Rockpalast und vier Millionen Benefiz-Gigs war die Schroeder Roadshow ein Begriff in diesem unseren Lande, weswegen sie sich dann auch in die große Politik einmischen durfte:

foto: paul hofmann, 1982

foto: paul hofmann, 1982

1982

Die „Grüne Raupe“ zog durch die Republik. Zu dem Behufe, der wachsenden außerparlamentarischen Opposition Platz und Stimme im Parlament zu verschaffen, krakeelten Udo L., Gianna Nannini und Wasweißichwernoch unter der cholerischen Knute von Papa Fritze Rau Lieder zum Nachdenken und Bewusstseinerweitern durch die Lande – weswegen Bandleader Erwin Schroeder heute als mitschuldig am Kosovo-Krieg und am Dosenpfand-Chaos gelten muss. Für ihn ein Grund mehr, seine Yacht im Bermuda-Dreieck überhaupt nicht mehr zu verlassen.

1983

Aber auch dass Schroederchens Manager HaGe Hein bei der Raupe Fritze kennengelernt hatte, sollte nicht ohne Folgen bleiben. Ein Jahr später heckten die beiden die lustige Idee aus, den Kommerzpapst und den Independentmogul zu alliieren und doch die beiden „Legenden bzw. Flaggschiffe des deutschen Alternativ- und Polit-Rock“ mal zusammen- und auf eine gemeinsame Tour zu bringen.

„Wir? Mit diesen chaotischen saufenden Kölner Machos auf Tour?!“ schrien Ton, Steine, Scherben empört.

„Wir? Mit diesen chaotischen schwulen Berliner Kiffern auf Tour?!“ schrien die Schroederchens empört.

„Klar doch!“ fügten sie dreckig grinsend hinzu.

Wofür sie zur Strafe ein paar Vorbereitungsmonate später von der schwäbischen Scherben-Managerin Claudia Roth (ja, genau die!) in „Schroederles“ umbenannt wurden (was aber beileibe nicht der einzige Grund für den Bassisten war, die Band nach dieser Tour zu verlassen …).

Wer mehr über die Tournee wissen möchte, sei auf den wunderbaren Tour-Film von Christian Wagner verwiesen, dessen fünfeinhalbstündige Fassung alle Jubeljahre mal nachts als Rockpalast-Special in Dritten Programmen läuft (Achtung, Kasten Bier kaltstellen!).

Als kleines Beispiel für das Verhältnis zwischen den doch recht verschiedenen Gruppen hier eine aufschlussreiche kleine Filmszene:

Schwab wird zum Thema Kennenlernen interviewt. Erzählt, im Nachhinein sichtlich verlegen herumdrucksend, dass er bei einem Vorbesuch im Haus der Scherben in Fresenhagen Rio Reisers Karl-May-Sammlung bewundert und dem erzählt habe, dass seine zehnjährige Tochter Karl May gerade als spannende Lektüre entdecke.

Später dann der erste gemeinsame Tour-Morgen in einem Kieler Hotel. Da sitzen an die vierzig Musiker, Roadies, Tourbegleiter etc. beim Frühstück, angespannt, fremdelnd, nervös, lampenfiebrig – und nicht zuletzt verkatert vom vorabendlichen Begrüßungsbier –, und Claudiale erzählt Schwäble freudig (und eigentlich unautorisiert vorlaut) (wie immer), die anerkannte und gehätschelte Diva Rio habe ihm „was gaanz was Tolles“ mitgebracht. Wie der Schwab um die Uhrzeit und mit dem Schädel so schnell auf die Idee kam, ist bis heute ein Rätsel – aber blitzartig ist ihm klar, dass es sich um den einen oder anderen Karl-May-Band handeln muss. Und quer durch den Frühstückssaal schreit er zu dem sechs Tische weiter über einem Glas Aspirin vor sich hin brütenden Sänger hinüber:

„Wat is´, Reiser – willste dich gleich am ersten Tour-Tag bei mir einschleimen?“

Im Film: Schnitt auf das Reiser-Interview: „Treffer! Genau das war´s doch, muss ich zugeben!“

Zwei Filmstunden (= drei Tourneewochen) später sieht man die Herren Schwab und Reiser, beide sichtlich seit Stunden mit der Qualität des ausgeschenkten Gerstensaftes zufrieden, in brüderlicher Umarmung nachts um fünf an der Theke einer Hotelbar stehen und lautstark und mehr oder weniger zweistimmig ihren unermesslichen Schatz an 50er- und 60er-Jahre-Oldies zum Besten geben. Auch dieser Abend: Unentschieden – Schwab kannte mehr Fakten und Namen, Reiser mehr, um nicht zu sagen: sämtliche, Texte.

An diesem Abend bzw. Morgen entstand übrigens die Idee der beiden, ein paar ihrer Lieblings-Songs aus dieser Ära mit deutscher Übersetzung zu versehen und zu covern. Was sie tatsächlich ein Jahr später auch taten – nachdem es Schwab gelungen war, der EMI einen Produktionskostenzuschuss für die Demo-Aufnahmen aus den Rippen zu leiern, nahmen sie im Fresenhagener Scherben-Studio eine Handvoll Songs auf, Reiser an Mikrophon und Keyboards, Schwab an Bass und Mikro, beide am Drumcomputer.

„Is´ ja besser, als ich dachte“, war der anschließende Kommentar der Tante EMI. Veröffentlicht wurde es trotzdem nie. Selber schuld, notleidende Plattenindustrie – jetzt rück´ ich die Bänder nich´ mehr raus (kann ja meinen Kumpel nich´ mehr fragen)!

„heut nacht oder nie“ –

die gemeinsame tour mit

ton, steine, scherben 1983




fotos: paul hofmann

Besetzung 7:

Gerd Köster - vox

Uli Hundt - vox, gui, sax

Gerty Beracz - gui, vox

Frank Hocker - gui, vox

Jesus Canneloni - sax

Rich Schwab - b, vox

Richard Herten - perc, keys

Gerhard Sagemüller - dr

Von links nach rechts, oben: Jan Zelinka,  Frank Hocker, Gerty Beracz, Dieter der Busfahrer, Richard Herten, Eisi Gulp, Funky Götzner;

unten: Kai Sichtermann, Gerd Köster, Claudia Roth, Rich Schwab, Martin Hartmann, Britta Neander,  (Jesus Canneloni & Gerhard Sagemüller), Rio Reiser, Micha, Lanrue, Dirk Schlömer, HaGe Hein.

Aber wo wir gerade bei Christian Wagner und Bass-Spielen waren: Fast vergessen hätten wir, dass es Wagner war, der es Schwab 1980 ermöglichte, eine Solo-Platte mit eigenen Songs aufzunehmen, die durch das Schroeder-Raster gefallen waren. Er fungierte auch als (wohltuend zurückhaltender) Co-Produzent eines Werkes, das auf dem Cover damit für sich warb, es gebe weder Gitarren noch Synthesizer auf den Stücken, dafür jede Menge Bässe und Schwabs zigarettenqualmverziertes Geknödel (na gut, war gelogen – auf zwei, drei Songs spielt natürlich Herr Beracz ein bisschen Gitarre. Und veredelt das Geknödel mit Zweitstimmen) (genau wie Anne Haigis). Und Roland Schaeffers Saxophon (sagte ich ja bereits: Treue Seele, der Altmeister). Und Thomas Römers Schlagzeug (der hauptberuflich bei den Würzburger Munju trommelte – und übrigens über zwanzig Jahre später mit Schwab an dem ambitionierten Live-Projekt Roemer´s Roadshow arbeitete … – is´ halt wirklich ´ne treue Seele, der Altmeister … – zu traurig, dass den Thomas mitten in den Vorbereitungen zur Tour ein mieser, kleiner Lungenkrebs erwischte; nach sechzehn Jahren Nichtrauchen …!).

Aber auch dass der Nürnberger Journalist und Konzertveranstalter Peter Harasim die Platte fast immer als „mein liebster Saufkumpan“ adelte, ließ die Verkäufe nicht über die 400er-Marke klettern.

fotos: susanne schaeffer, 1980

Umso erstaunlicher und erfreulicher, dass Co-Produzent Wagnis 1982 noch einmal das Wagner einging und Schwab das Nachfolgealbum Lieb doch einfach mich aufnehmen ließ, wieder in der Zuckerfabrik in Stuttgart (und wieder mit Römer und Schaeffer, diesmal verstärkt durch das exquisite Geigenspiel von Jörg Berger aus Heidelberg).

Leider auch das ein Flop, trotz eigenwilliger Coverversionen von Bob Dylan-, Joan Armatrading- und Stephen Stills-Songs – das Material auf die Bühne zu bringen hätte sämtliche zur Verfügung stehende Etats gesprengt (neun Bässe …!); und Radio, Fernsehen …?







Na ja.

Trotzdem (umso mehr!) ein schöner Zug von HaGe Hein, dass er einen Teil seiner Einnahmen aus Erste Allgemeine Verunsicherung- und Hubert von Goisern-Verkäufen im Jahre 1996 dafür verwendete, eine Auswahl von Songs beider Alben in eine CD zu verwandeln (Lieb doch einfach mich auf dem Capriola-Label) – dafür hier noch mal ein Herzliches, HaGe!

1984

Sollte man gelesen haben.

George Orwell.

Guter Mann.

Von Schwab ist nur bekannt, dass er in diesem Jahr damit beschäftigt war, seinen Hund Pitter – eine Mischung aus Schäferhund, Collie und Rottweiler, dazu zu erziehen, sich in Kneipen auf das Kommando „Leg dich unter´n Flipper“ unter Flipperautomaten zu legen (gerne auch mit einer Frikadelle oder einem Schweineöhrchen zwischen den Pfoten) und sich nicht mehr zu rühren, bis Herrchen kein Bier mehr bekam.

Drei bis fünf Abende die Woche trank das Herrchen allerdings sein Bier hinter dem Tresen – mit den Tantiemen seiner Platten hätte er nicht mal die Miete für sein Klo bezahlen können … Die halbe Zeit in diesen Jahren war das aber auch gar nicht nötig: er hatte ja nicht mal ein eigenes Klo – meistens lebte er aus dem Koffer, der in einer berühmt-berüchtigten Vier-Frauen-WG in Köln stand. Es gab seinerzeit Gerüchte, nach denen dieser Koffer mehr oder weniger regelmäßig abwechselnd neben jedem der vier Betten stand; Gerüchte, die hier allerdings nicht weiter dementiert werden sollen …

1985

Gab es wieder mal einen kleinen Kreativitätsschub – Schwab versöhnte sich wieder mit Gitarrist Nick Nikitakis, und zu zweit nahmen sie im mittlerweile in Köln-Ehrenfeld gelandeten Schwabschen Heimstudio (danke, Schmal!) ein Dutzend Songs auf, Musik Nikitakis, Text Schwab – aber über einen einzigen Auftritt als NSL (das L stand für Schlagzeuger Chris Lewald) kam das Projekt nie hinaus; niemand kriegte den Arsch hoch, Plattenfirmenklinken zu putzen, und als der Bassist ein paarmal zu oft seinen verkaterten Arsch nicht mal hochgekriegt hatte, um seinem Gitarristen zum verabredeten Termin die Studiotür aufzumachen, ging der grummelnd seiner eigenen, erfreulich erfolgreichen Wege.

Hatte aber auch sein Gutes – Herr Nikitakis schien fortan gegen die Versuchungen des Alkohols immun zu sein …

Ach so, wir wollten ja eigentlich auch mal auf Hermann zurückkommen, einer der vielen wunderbaren Wirte unterwegs – wenn nicht gar der wunderbarste …

Tja.

Machen wir aber nicht.

Weil nämlich bei Aktualisierung dieses Textes Schwabs Versacken erschienen ist. Wo es ein ausführliches Tourneekapitel gibt …

NSL, 1984

Nick Nikitakis - gui, vox

Rich Schwab - vox, b

Chris Lewald - dr

Der soundpool # 1 –

Schwabs Heimstudio

in den 80ern

Na gut, gehen wir halt mit dem einem regelmäßigen Glas Bier weitaus aufgeschlosseneren „Bluesbarden“ Richard Bargel auf Tour …

Richard Bargel Blues Band, 1984-86

Besetzung 1:

Richard Bargel - vox, gui

Nick Nikitakis - gui

Rich Schwab - b

Fritz Wittek - dr


Besetzung 2:

Richard Bargel - vox, gui

Dirk Schlömer - gui

Rich Schwab - b

Detlef Kessler - dr


Besetzung 3:

Richard Bargel - vox, gui

Mick Gebhardt - gui

Rich Schwab - b

Chris Lewald – dr


Besetzung 4:

Richard Bargel - vox, gui

Mick Gebhardt - gui

Rich Schwab - b

Markus Junker – dr

Big Time Sarah, 1985

Big Time Sarah - vox

Richard Bargel - gui, vox

Nick Nikitakis - gui

Rich Schwab - b

Thorsten Zwingenberger - dr

foto: gabi falk

foto: jürgen schaden

Zwischendurch ging ein Teil der Band noch ein paar Wochen mit der Chicagoer Bluessängerin Big Time Sarah auf Tour.

1985–86

Auch ein paar andere alte Weggefährten bleiben nach dem Deutschen Reinheitsgebot hergestellten Flüssignahrungsmitteln nicht abgeneigt – weswegen es nicht ausblieb, dass Uli Hundt auf seiner Suche nach Mitstreitern für sein Betablocker-Projekt an irgendeiner Theke mal wieder über seinen alten Bassisten stolperte. Schwupps! standen die beiden mit ein paar Kollegen – wieder mit Hilfe von Christian Wagner – wieder in der Zuckerfabrik und nahmen das Album Schweinehundt auf. Sie gingen sogar auf eine kleine Tour, aber selbst das Ex-Schroeder Roadshow! auf den Plakaten lockte niemanden hinter dem Ofen hervor – nach einer Handvoll Gigs wurde die Tour mangels Umsatz abgeblasen.

Da half nicht mal der Auftritt vor etwa 100.000 Leuten beim WAAhnsinn-Festival in Wackersdorf etwas.

Uli Hundt & Die Betablocker, 1985

Uli Hundt - vox, gui, sax

Manni Hollaender - gui, vox

Matthias Keul - keys, gui

Rich Schwab - b, vox

Eddie Liebert – dr

Uli Hundt & Der Wahnsinn, 1986

Besetzung 1:

Uli Hundt - vox, gui, sax

Heike Lewald - vox

Nick Nikitakis - gui

Rich Schwab - b, vox

Chris Lewald – dr


Besetzung 2:

wie oben, aber:

Christian „Kalau“ Keul - dr

Für den Schwab ein schöner Anlass, seine Wirtschaftsstudien zu intensivieren, während seine Bässe Staub ansetzten.

1987

Woher soll man jetzt also wissen, was in dem Jahr sonst noch so passiert ist?

1988

ließ er sich, immerhin, zu einem kurzen Ausflug mit Türkrock-Alex überreden.

Leider gibt‘s keine Fotos von der Tour – aber dafür ein vergnügliches Live-Album).

Alex Oriental Experience, 1988

Alex Wiska - vox, saz

Rich Schwab - b

Kurt Billker – dr

1988

Einer von Schwabs mehr oder weniger regelmäßigen Arbeitgebern in jenen verschwommenen Tagen war das Out, eine winzige Eckkneipe in der Kölner Südstadt, in der nicht nur vor der Theke alles verkehrte, was in Rock´n´Roller- und Künstlerkreisen damals Rang und Namen hatte – von Arno Steffen bis Zeltinger, von BAP bis Drafi Deutscher und von Ina Deter bis Dunkelziffer; vom Bildhauer Ulrich Rückriem bis zu den Filmemacher-Brüdern Dubini, vom Maler Andreas Kopp bis zum Verleger Benedikt Taschen …; hinter der Theke werkelte z.B. Gerd Köster, und auch seine Cousine Gaby Köster hatte dort ihre unvergesslichen ersten öffentlichen Auftritte („Tschüs, Junge, maat et joot – un passt op, datt´r nit op d´r Sperrmüll kutt!“ …).

Aber bekanntlich kann der Frömmste nicht in Frieden nachts um drei seine Stones-Platten hören, wenn´s dem bösen Nachbarn nicht gefällt – die Nachbarn prozessierten das Out aus dem Haus.

foto: andeas kopp? reiner eul?

Wirt und Mick-Jagger-Double SchuPi bekam aber dank seines bisherigen gastronomischen Erfolgs sogleich ein neues Angebot von seiner Brauerei: Im ehemaligen Stollwerck-Riegel waren neue Wohnblocks gebaut worden, und auf einer Ecke gehörte der Brauerei etwas, das eine tolle Kneipe werden sollte – ob Herr Schulz-Pilath nicht Lust habe …?

Hatte er nach gründlicher Besichtigung des Rohbaus; allerdings war der Laden dreimal so groß wie sein alter Wirkungskreis. Seine bisherige Out-Partnerin Renate war mit der Aufzucht von Gerd Kösters Söhnen beschäftigt und hatte die Nase voll vom Kneipenleben, aber für diesen Laden würde er mehr denn je einen Partner brauchen – wie sieht´s aus, Rich? Erzählen dir nicht seit Jahren schon alle möglichen Gäste, du solltest eine eigene Kneipe aufmachen, weil sie sich von dir so – ähem … individuell bedient fühlen?

War es geistige Umnachtung, war es nächtliche Entgeisterung – der faulste aller Bassisten, der bei einem neuen Song nicht als Erstes überlegt, was er wo spielt, sondern wo er was so spielen kann, dass er die Linke für Zigaretten und/oder Bier frei hat – wurde Unternehmer …

Mein lieber Herr Gesangsverein! In ein neues Unternehmen muss man als erstes natürlich investieren. Gegen das, was allein die Nächte gekostet haben, die die beiden Teilhaber mit dem Planen von Konzept, Inneneinrichtung und Namensfindung verbrachten, war der anschließend zur Umsetzung der Pläne notwendige sechsstellige Kredit quasi ein Klacks (ein Klacks, an dem Yours Truly dann allerdings noch geschlagene acht Jahre zu bluten hatte …).

Und dann das mehrseitige Regelwerk für das künftige nullzwei

- Es gibt kein Alt („Wir sind in Köln!“).

- Bier gibt es nur in 0,2-Liter-Stangen (s. Kneipenname!).

- Und zwar OHNE Cola! („Die Sauerei könnt Ihr sonstwo saufen!“)

- Es gibt bis drei Uhr Frühstück („Wir selbst müssen ja auch frühstücken!“)

- Alkohol gibt es frühestens ab dreizehn Uhr, und nur für äußerst subjektiv ausgewählte Gäste („Wir wollen ja in Ruhe frühstücken!“)

- Milchkaffee dagegen gibt es nur bis achtzehn Uhr („Können die Mädels von der Tagesschicht sich mit rumschlagen! Wir sind schließlich weder Kellner noch Milchaufschäumer – danke, Herr Regener! – abends wird gefälligst gesoffen!“)

- Es wird kein Karneval gefeiert („Es wird kein Karneval gefeiert!“)

- Eröffnung ist am 3.2.1988 („Schließlich hat uns die Post die Telephonnummer 321988 zugeteilt!“)

Hätte fast geklappt. Dank der pflicht- und paragraphenbewussten Mitarbeiter der Kölner Ordnungs-, Bau-, Gesundheits- und sonstiger dreiundzwanzig -ämter jedoch konnte nach fast achtmonatiger Bauzeit das erste offizielle Bier erst am 10.2.1988 den Hahn verlassen.

Hätte sicher auch schon viel früher geschehen können – aber ehe ich die unauffällig aufgehaltene Hand eines Beamten bemerke, ist der schon lange in Pension (oder im Knast?) (Ha ha) …

Alles Lüge! dichtet Kollege Reiser.

Und wie. Die vollmundigen Versprechungen der Brauerei („Ihr kriegt da im Sommer hundert Außenplätze!“): nur ein dummdreister Köder – fast zwei Jahre lang kämpfen wir mit dem Ordnungsamt darum, auch nur die Konzession für zwölf (!) Terrassenplätze zu bekommen. Dass es dann zehn Jahre unbemerkt bleibende sechsunddreißig waren, ist da nur gerecht.

Aber auch drinnen im Laden gab´s Probleme – er lief nicht, wie er hätte laufen sollen. Den Biertrinkern fiel plötzlich ein, dass ihnen die dort gezapfte Marke nicht schmeckte (obwohl sie die gleiche Marke im Vorgänger Out hektoliterweise in sich hinein geschüttet hatten); für die schönste und teuerste Blumentapete, die je eine Kaschemme zierte, hatten sie nur Spott übrig; und dass die Kneipenfront komplett verglast war, störte sie angeblich beim gepflegten Trinken und Abhängen – dass das im Out auch nicht viel anders gewesen war, hatten sie anscheinend innerhalb eines dreiviertel Jahres ebenfalls schon wieder vergessen.

Dass die Installationsarbeiten an den Toiletten im Kellergeschoss eine Schlamperei gewesen waren und drei ins Klo geworfene Tampons ausreichten, alle paar Wochen den unappetitlichen Inhalt von Sickergruben die Treppe hochsteigen zu lassen, machte die Atmosphäre im nullzwei nicht gerade heimeliger. Der permanent im Laden schwebende Geruch wollte mit besagter Blumentapete, handgeschmiedeten Barhockern und sorgfältigst von den Betreibern zusammengestellten Mix-Kassetten von Miles Davis bis Stones nicht so recht korrespondieren – weswegen der Ausdruck „Scheiß-Stimmung“ zwar vulgär anmuten mag, aber durchaus den Nagel auf den Kopf trifft.

Die Freundschaft der beiden Kompagnons bekam kleine Risse – Schwab war beleidigt, dass all die alten Kumpels, die ihm so heftig zugeraten hatten, Wirt zu werden, sich nicht blicken ließen, und knallte sich an seinen Dienstabenden grummelnd die Rübe zu; SchuPi war sauer, dass Schwab vor lauter Grummelei sein schon von Natur aus geringes Interesse an Personalführung vollends beerdigte – und knallte sich an seinen Abenden grummelnd die Rübe zu. Nicht gerade handbuchgerechte Unternehmensführung, wenn man bis zu vierzehn Angestellte hat.

Unlustiges Gewurschtel. Liquiditätsprobleme.

Untergangsstimmung.

Zwischen Miles und die Stones mischten sich The Cure und Nick Cave

Und die schöne Tapete blieb auch auf der Strecke. :-(



Was für ein Glück, dass es da zwischendurch mal den einen oder anderen netten kleinen Ausflug mit ein paar experimentierfreudigen Kollegen gab – in den Kölner Stadtgarten oder ins Bürgerhaus Stollwerck oder zur ART Basel, wo der legendäre und leider viel zu früh verstorbene (nein, Wiglaf, dafür gibt‘s ausnahmsweise keinen Cent in die Phrasenkasse!) Kölner Galerist, Impresario, Allround-Künstler und Kampftrinker Ingo Kümmel Dada-Gedichte vortrug und eine Horde der fantasievollsten Kölner Jazz-, Klassik- und Rockmusiker dazu frei improvisierten, was das Zeug hielt. Während drumherum etliche Feuerwehrleute kurz vor dem Herzinfarkt standen, weil Al Hansen Feuerwerkskörper und Funken sprühende Sperrmüll-Monster durch die Hallen jagte.

Zu schade, dass es davon kein Bild-, geschweige denn Tonmaterial gibt (oder hat da draußen vielleicht irgendjemand…? Dann bitte her damit! Bitte!!)

Ingo Kümmel´s Performances, 1989–91

u.a.:Ingo Kümmel - vox, perf.

Frank Köllges - dr

Manos Tsangaris - dr

Matthias Heupel - fl

Christopher Küppers - p

Jesus Canneloni - sax

The Intermission Orchestra - all instr.

Jaki Liebezeit - perc

Al Hansen - fireworks, perf.

Rich Schwab – b, vox

weiter zu bio 1990–99

illustration:

kh schrörs, 1980